8-Flucht nach Ägypten?

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Raquel Freundinnen und Freunde von Emisoras Latinas. Manch einer wundert sich vielleicht, dass Jesus Christus bei seinem zweiten Kommen zur Erde nur Emisoras Latinas für In- terviews zur Verfügung steht. Warum gewährt er nur mir diese Interviews, wird sich der eine oder die andere fragen. Was sagen Sie denn dazu, Meister, ich meine, Jesus? Wol- len Sie sich denn gar nicht gegenüber der Presse äußern?
Jesus Die anderen Journalisten suchen mich bestimmt im Tem- pel oder auf den Wolken des Himmels, Raquel. Oder sie verlangen wundersame Zeichen. So wie zu meiner Zeit die Sadduzäer. Es ist immer das gleiche.
Raquel Wie ich höre, warten auf dem Tempelplatz in Jerusalem immer noch Leute auf Sie. Und sie fragen, ob Sie noch kommen, und ob Sie sich dann mit dem Papst in Rom tref- fen, und mit dem Präsidenten der Vereinigten Staaten, und mit dem Europäischen Parlament, und mit …
Jesus Mit dir, Raquel. Du interviewst mich doch gerade.
Raquel Ja dann, dann muss ich eben die Gelegenheit beim Schopf ergreifen und … Sehen Sie diesen Esel da? Genau dazu wollte ich Ihnen eine Frage stellen.
Jesus Zu diesem Esel?
Raquel Nein, nicht genau zu diesem. Zu dem anderen, auf dem Ihre Eltern, Maria und Joseph, mit Ihnen als Baby geflohen sind.
Jesus Meine Eltern geflohen? Wohin denn?
Raquel Na, das müssten Sie doch eigentlich wissen. Erinnern Sie sich denn nicht an den Befehl des König Herodes, alle in Bethlehem geborenen Kinder unter zwei Jahren zu töten?
Jesus Herodes, dieser Henker, hat Erwachsene getötet, keine Kinder. Er hat gefoltert und enthauptet. Aber die, die ge- gen ihn waren.
Raquel Aber als Sie geboren wurden, da bekam Herodes einen Riesenschreck und dachte, dass Sie ihm die Krone streitig machen würden.

Jesus Aber wie sollte ich ihm denn die Krone streitig machen?
Ich wurde ja noch gestillt!
Raquel So steht es aber im Evangelium nach Matthäus. Hier, da können Sie es selbst nachlesen.
Jesus Schon wieder Matthäus! Das hat er bestimmt geschrieben, damit die Geschichte etwas spannender wird.
Raquel Spannender? Wieso? Warum?
Jesus Na, wie im Märchen: Meine Eltern mit dem Esel auf der Flucht nach Ägypten, um mich zu retten.
Raquel Aber, wenn das nur eine Geschichte ist, wieso ließ er Sie dann so weit fliehen? Ein Versteck in irgendeiner Ecke in Judäa hätte doch auch gereicht!
Jesus Das ist der Punkt! Matthäus hatte bestimmt die Geschichte von jenem bösen Pharao in Ägypten gelesen, der die hebrä- ischen Kinder töten ließ. Aber der kleine Mose wurde mit einem Körbchen gerettet, das auf dem Fluss schwamm.
Raquel Das ist die Geschichte aus dem Film „Prinz von Ägypten“.
Den habe ich gesehen.
Jesus Das ist die Geschichte vom Exodus, Raquel. Mich konnte man aber nicht in einem Körbchen auf dem Fluss schwimmen lassen, weil es ja hier in Palästina kaum Wasser gibt. Also ließ man mich mit meinen Eltern auf einem Esel nach Ägypten fliehen. Der Tod des Herodes ist dann wie- der eine andere Geschichte. Und dann ließ man mich wie den neuen Mose, den großen Befreier, aus Ägypten zu- rückkommen.
Raquel Eine unglaubliche Manipulation!
Jesus Nein, ein schöner Vergleich. Warum denn nicht?
Raquel Wenn ich es richtig verstanden habe, heißt das also, dass Sie niemals in Ägypten waren. Und die Pyramiden haben Sie auch nicht gesehen.
Jesus Nein, diese Wunderwerke habe ich leider noch nie zu Ge- sicht bekommen. Aber, wo wir gerade übers Reisen spre- chen: Können wir nicht mal nach Nazareth gehen? Ich möchte doch gerne sehen, wie das Dorf, wo ich geboren wurde und groß geworden bin, heute aussieht. Vielleicht können wir ja diesen Esel nehmen?

Raquel Nein, bitte nicht auf einem Esel! Wie stellen Sie sich das denn vor? Wir nehmen einfach wieder ein Taxi, wie auf dem Hinweg. Und in ein paar Stunden sind wir schon in Nazareth. Einverstanden?
Jesus Ja, Raquel, schließlich sagst du hier ja, wo es langgeht. Raquel Nein, bei Emisoras Latinas sagen Sie, liebe Hörerinnen und
Hörer, wo es langgeht. Eine Zuhörerschaft, die noch mehr
wissen will. Und in Nazareth warten neue Offenbarungen
auf uns, da bin ich ganz sicher. Bleiben Sie dran!