28-Schuld oder Schulden?

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Raquel Heute sind wir in Tabga, auf dem Hügel mit den sieben Quellen, in der Nähe von Kapernaum. Jesus Christus selbst hat einen Besuch an diesem Ort vorgeschlagen. Warum?
Jesus Erinnerungen. Ich bin oft hierhergekommen, nachts, um zu beten.
Raquel Aber, Sie sind ja Gott selbst. Ist ein Gebet in Ihrem Fall nicht ein Selbstgespräch?
Jesus Ich verstehe nicht, was du meinst, Raquel. Wieso sollte ich mit mir selbst sprechen? Ich sprach mit Gott. Ich bat Gott um das tägliche Brot, ich bat ihn um Kraft, ich dankte, ich bat ihn um seine Mithilfe, damit bald das Reich der Ge- rechtigkeit käme.
Raquel Vielleicht ist das ein wenig indiskret, aber könnten Sie uns nicht eines Ihrer Gebete vorstellen?
Jesus Warum nicht? Mein Lieblingsgebet zum Beispiel: Abbá, yitkadash shemaj, teté maljutaj, lajman delimjar…
Raquel Entschuldigen Sie bitte meine Unwissenheit, aber welche Sprache ist das denn?
Jesus Aramäisch, die Sprache, die wir in Galiläa damals sprachen. Raquel Könnten Sie uns das Gebet bitte übersetzen?
Jesus Es geht so: Unser Papa im Himmel, geheiligt werde dein Name, dein Reich komme, dein Wille geschehe …
Raquel Das Gebet kenne ich! Sie beten das Vaterunser, richtig?
Mit einem kleinen Unterschied: Sie haben „Papa“ gesagt.
Jesus Ja, abbá, Papa.
Raquel Ausdruck einer übertriebenen Vertraulichkeit mit Gott?
Jesus Zu Gott kann man gar nicht zu viel Vertrauen haben. Er kennt uns, liebt uns.
Raquel Ich kann Ihnen sagen, dass kein anderes Gebet auf der Welt so bekannt ist wie dieses.
Jesus Ach wirklich?
Raquel Ja, das ist der Bestseller unter den Gebeten. Millionen von Menschen beten es jeden Tag.

Jesus Na, das ist aber wirklich eine gute Nachricht, Raquel. Denn wenn das so ist, dann gibt es ja keine Halsabschneider mehr auf der Welt. Mein Traum ist also Wirklichkeit ge- worden.
Raquel Entschuldigen Sie, Jesus Christus, aber wovon sprechen Sie denn jetzt?
Jesus Von meinem Gebet. Wenn es so oft gebetet wird, dann sind doch sicher alle Schulden erlassen, annulliert worden.
Raquel Die Schulden? Was meinen Sie denn?
Jesus Ich meine das, worum ich in meinem Gebet bitte. Erinnere dich, Raquel. Wie fängt das Gebet an? Wie lauten die Wor- te?
Raquel Wenn ich mich irre, dann korrigieren Sie mich bitte. Also:
„Vater unser im Himmel. Geheiligt werde dein Name.
Dein Reich komme. Dein Wille geschehe, wie im Himmel
so auf Erden.“ Alles richtig?
Jesus Ja, ja, mach weiter.
Raquel Unser tägliches Brot gib uns heute. Jesus Weiter.
Raquel Und vergib uns unsere Schuld, wie auch wir vergeben un- sern Schuldigern …
Jesus Nein, nein, nein!
Raquel Wieso nein?
Jesus Weil ich das nicht gesagt habe. Ich habe nicht von Schuld gesprochen.
Raquel Na, dann eben von Sünde, ist doch das gleiche. Jesus Nein, ich habe von Schulden gesprochen. Raquel Schulden bei Gott?
Jesus Schulden beim Wucherer.
Raquel Aber …
Jesus Geldschulden, Raquel.
Raquel Warten Sie mal bitte einen Moment. Ich bekomme gerade einen Anruf … Ja, hallo?
Cisneros Hier ist Liana Cisneros6 von Jubilee 2000. Ich möchte Jesus Christus gratulieren und allen Hörerinnen und Hörern sa-

gen, dass das Vaterunser tatsächlich verfälscht wurde. Das Gebet bezieht sich in der Tat auf materielle Schulden.
Jesus Siehst du, Raquel, ich hatte recht.
Raquel Sie sagen, das Vaterunser wurde verfälscht?
Cisneros Ja. Es ist so wie beim entkoffeinierten Kaffee: Ihm wurde seine Essenz entzogen.
Raquel Worin genau besteht denn die Essenz?
Cisneros Das kann Ihnen Jesus Christus besser als ich erklären. Bis bald!
Raquel Dankeschön, Frau Cisneros. Jesus Christus?
Jesus Pass auf, Raquel. Zu meiner Zeit verdienten die Armen so wenig, dass sie Schulden machen mussten, um ihre Famili- en ernähren zu können. Sie hatten Schulden bei den Groß- grundbesitzern, bei den Wucherern. Ungerechte Schulden, die sich verewigten, die sie auch in tausend Jahren nicht bezahlen konnten, und sie starben erniedrigt und verzwei- felt.
Raquel So war es damals und so ist es auch heute noch.
Jesus Von diesen Schulden habe ich gesprochen. Ich bat Gott, er möge dieses Joch zerbrechen. Gott wird uns nicht verge- ben, wenn wir nicht vorher den Allerärmsten die Schulden erlassen.
Raquel Vielleicht ist Ihnen das gar nicht bewusst, aber sie benen- nen da ein hochaktuelles Thema. Denn es gibt reiche Län- der, die sich christlich nennen, aber den armen Ländern nicht die Schulden erlassen wollen. Und es gibt internatio- nale Institutionen, die ihren Schuldnern die Kehle zu- schnüren.
Jesus Ich kann dir nur versichern, dass Gott ihnen nicht verge- ben wird, wenn sie nicht vorher diese Schulden erlassen. Wort des lebendigen Gottes.
Raquel Dank sei Gott … Aus Tabga, in der Nähe von Kapernaum, für Emisoras Latinas: Raquel Pérez.