55-Ein feministischer Jesus?

Radioclip en texto sin audio grabado.

Raquel Herzlich willkommen zu einem weiteren Interview mit Jesus Christus hier in Nazareth. Jesus Christus ist zur Erde zurückgekehrt, um – wie er selbst sagt – zu sehen, was wir in seinem Namen und während seiner Abwesenheit getan haben. Guten Morgen, Jesus Christus.
Jesus Schalom, Raquel.
Raquel Ihre Botschaften in vorhergehenden Programmen, die sehr die Rechte der Frauen unterstützten, haben sich als sehr kontrovers erwiesen. Und deshalb möchte eine Gruppe von Frauen mit Ihnen sprechen und Ihnen einige Fragen stellen.
Jesus Aber wenn sie nicht hier sind, wie kann ich dann ihre Fra- gen beantworten?
Raquel Warten Sie, wir setzen Ihnen diesen Kopfhörer auf … Los geht es mit den Anrufen aus dem Studio.
Feministin Unser Kollektiv grüßt Sie, einen Menschen, der die Ge- schichte so sehr beeinflusst hat. Und wir möchten Ihnen zunächst eine Frage stellen, die für uns sehr wichtig ist. Halten Sie sich für einen Feministen?
Jesus Also … Raquel, könntest du mir erklären, was die Leute meinen?
Raquel Sie will wissen, ob …
Feministin Anders gesagt: Was war Ihrer Meinung nach Ihre gewag- teste, originellste Geste zugunsten der Frauen Ihrer Zeit?
Jesus Meine Geste … Ich weiß nicht, lassen Sie mich nachden- ken … Vielleicht als ich die Frau traf, die an Blutfluss litt. Wegen dieser als Unreinheit angesehenen Krankheit nann- te man sie Hemorroisa. Und um sie obendrein noch zu be- leidigen, schmähte man sie – entschuldigt den Ausdruck – als „Blutpisserin“.
Feministin Könnten Sie dies unserer Hörerschaft genauer erklären?
Jesus Ja, warum nicht. Die religiösen Gesetze meines Landes erklärten alle Frauen während ihrer Menstruationszeit für unrein.
Feministin Ach so? Jeden Monat?

Jesus Jeden Monat, mit jeder Wendung des Mondes wurden alle Frauen unrein. Und das bedeutete, dass sie nicht in der Synagoge beten und schon gar nicht in den Tempel eintre- ten konnten. Niemand durfte sie berühren, weder ihr Ehe- gatte noch sonst jemand. Sonst befleckte und verunreinigte man sich.
Feministin Und wie wussten sie, ob eine Frau ihre Tage hatte?
Jesus Es war demütigend. Sie mussten sich zurückziehen und die Demütigung auf sich nehmen, sich selbst als Menstruieren- de zu erkennen geben. Sie mussten sich selbst als unrein bekennen. Wenn sie es nicht taten, wurden sie gefragt.
Feministin Wenn ein Mann heute diese Schamlosigkeit begeht, be- kommt er dafür eine Ohrfeige.
Jesus Zu Recht.
Raquel Machen wir weiter mit der Frau in Ihrer Geschichte.
Jesus Ich erinnere mich daran, dass sie Melania hieß. Sie hatte ein seltsames Leiden. Sie menstruierte immer.
Feministin Blutfluss heißt diese Krankheit.
Jesus Heute würde man sie sicherlich heilen können, aber damals konnte das niemand. Und man hatte viele falsche Vorstel- lungen über die Frauen. Im Blut der Frauen sah mein Volk eine Sünde. In den Quellen des Lebens sah es Schmutz.
Feministin Man sagt, dass der Schmutzige alles schmutzig macht.
Jesus Sie lasen die Gesetze mit den Augen des Mannes, sie schrieben das Gesetz mit dem Egoismus des Mannes, sa- hen das Böse in unserer Mutter Eva.
Feministin Ich werde Ihnen, Jesus Christus, sagen, dass es heute im- mer noch so ist.
Jesus Jene Frau lebte also immer unrein. Und noch schlimmer, dieses Leiden machte sie steril. Sie war mitten im Leben tot. Eine Frau, die keine Kinder hatte, war wertlos. Sie war die Letzte der Letzten.
Raquel Und deshalb haben Sie diese Frau geheilt?
Jesus Nein, niemand konnte sie heilen. Ich habe sie eines Tages getroffen. Ich redete sie mit ihrem Namen an: Melania. Und ich berührte sie und ließ es zu, dass sie mich berührte.

Das war etwas, was vom Gesetz verboten war, etwas, das niemand zu tun wagte.
Feministin Also haben Sie wie ein Feminist gehandelt.
Jesus Raquel, erkläre mir dieses Wort, was heißt Feminist? Raquel Feministin sein heißt, sich auf die Seite der Frauen zu stel-
len, für ihre Rechte zu kämpfen, sie zu respektieren … alles
das. Das alles und vieles mehr.
Feministin Also, Jesus Christus, waren Sie ein Feminist?
Jesus Also ja. Ich glaube, dass ich es war … und immer noch bin. Feministin Könnten wir Sie auch in unseren Dokumenten so nennen? Jesus Warum nicht? Nennen Sie mich so, Feminist.
Raquel Mit Jesus, dem Feministen, aus Nazareth: Raquel Pérez für Emisoras Latinas.