10- Wie war Maria?

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Raquel Emisoras Latinas noch einmal direkt aus der Verkündi- gungsbasilika in Nazareth. Eine Sondersendung über das zweite Kommen Jesu Christi, der hier geboren wurde und aufwuchs, wie er uns selbst gerade erzählt hat. Seit unserer letzten Sendung über Ihre Familie haben wir viele Anrufe erhalten. Viele Hörerinnen und Hörer waren offenbar ge- nauso überrascht wie ich und haben dringend um ein wei- teres Interview zu diesem dornigen Thema gebeten.
Jesus Also, ich weiß zwar nicht, wo die Dornen sind, aber frag doch einfach, was du wissen möchtest, Raquel!
Raquel Stimmt es, dass hier, an diesem Ort, ein Engel Ihre Mutter besucht hat und sie daraufhin demütig ihr Schicksal ange- nommen hat?
Jesus Wieso demütig?
Raquel Naja, Ihre Mutter gilt doch als das universelle Beispiel der Demut, des Gehorsams und der Unterwerfung unter den göttlichen Willen.
Jesus Also, ich weiß wirklich nicht, von wem du sprichst, denn meine Mutter war ganz schön selbstbewusst.
Raquel Wie?
Jesus Sie war eben ziemlich temperamentvoll. Du weißt doch, wie die Bäuerinnen von hier sind. Maria hat sich jedenfalls niemals unterwürfig verhalten. Auch nicht Joseph gegen- über. Auch nicht mir gegenüber. Soll ich dir mal etwas er- zählen?
Raquel Ja, bitte, erzählen Sie es uns, unseren Zuhörern.
Jesus Als ich spürte, dass Gott mich rief, da fingen zu Hause die Probleme an. Meine Brüder, die ja schon groß waren, ha- ben nichts verstanden. Meine Mutter noch viel weniger.
Raquel Das kann ja nicht sein, denn Maria wusste doch von An- fang an, was Gott mit Ihnen vorhatte.
Jesus Pass mal auf, Raquel. Einmal, in Kapernaum, wir gründe- ten gerade unsere Bewegung, die erste Gruppe, das Haus war voller Leute, da rief mir jemand zu: Jesus, hier draußen ist jemand für dich. Wer denn? Deine Mutter und deine

Brüder. Und was wollen sie? Dass du mit diesen verrückten Ideen aufhörst und nach Nazareth zurückkommst. Der größte Dickschädel war meine Mutter.
Raquel Und was haben Sie gemacht?
Jesus Ich habe sie provoziert. Laut, damit es alle hören, habe ich gerufen: Wer ist meine Mutter und wer sind meine Brüder? Die, die den Plan Gottes unterstützen, nicht die, die ihn behindern.
Raquel Und wie haben sie reagiert?
Jesus Sie tobten vor Zorn! Aber später, nach und nach, mit der Zeit begannen sie zu verstehen. Sie änderten ihre Einstel- lung. Später haben mich meine Mutter und meine Brüder überallhin begleitet. Schließlich fingen sie auch an, sich für die verrückte Idee vom Reich Gottes zu begeistern.
Raquel Ihre Mutter hat immer viel gebetet, richtig? Jesus Viel nicht. Aber wenn sie betete, dann richtig.
Raquel Was war denn ihr Lieblingsgebet? Das Ave Maria?
Jesus Was für eins? Nein, ein altes Gebet, das habe ich sie oft beten gehört: „Meine Seele erhebt den Herrn, denn er stößt die Gewaltigen vom Thron und erhebt die Niedrigen. Die Hungrigen füllt er mit Gütern und lässt die Reichen leer ausgehen.“ Ja, ich erinnere mich, so hat sie gebetet.
Raquel Aber das hört sich ja gar nicht wie ein Gebet an, sondern eher wie ein Aufruf zur Revolution.
Jesus Wie gesagt, meine Mutter war ziemlich kämpferisch.
Raquel Das ist ja alles gut und schön. Aber was unsere Hörerinnen und Hörer wissen wollen, ist die Sache mit dem Engel.
Jesus Was für ein Engel?
Raquel Gabriel. Der Maria ihre jungfräuliche Empfängnis ange- kündigt hat.
Küster Hallo, Sie beide … Bitte gehen Sie zum Ausgang. Die Basi- lika wird jetzt geschlossen.
Jesus Ich glaube, die schmeißen uns hier gerade raus, Raquel.
Raquel Dann machen wir eben eine kurze Werbepause. Bleiben Sie dran! Für Emisoras Latinas: Raquel Pérez, Nazareth.